Michael Angele hat einen kurzweiligen Essay zu einer bedrohten Kulturtechnik verfasst. Für mich sind Angeles Gedanken besonders interessant; für einen Medienwissenschaftler, der bei einer Zeitung arbeitet, sollten sie das. Angele (stellvertretender Chefredakteur „Der Freitag“), schreibt also über das, was uns in der Redaktion regelmäßig beschäftigt. Geht es weiter – wie? Was gegen das Sterben tun? Wie wiederbeleben? Rosig sieht es nicht aus – schon klar – aber der Autor entwirft sinnige Vorschläge, andere Statements tun dagegen weh. Ansonsten zeigt Angele noch, wie Thomas Bernhard mit der Zeitung umging und beschreibt den eigenen, hohen Zeitungskonsum. Haptisch überzeugt dieses schmale Bändchen ohnehin. Inhaltlich schneidet Angele vieles nur an – trotzdem waren die zwei Stunden Lesezeit ein Gewinn.
[Buchinformationen: Angele, Michael (2016): Der letzte Zeitungsleser. Galiani-Berlin. 160 Seiten. ISBN: 978-3-86971-128-7]
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Dieser niederländische Autor hat mir mit »Tonio« (2011) eine besondere Lese-Erfahrung beschert. Darin verarbeitete er den Tod des Sohnes und die Trauer – »überwältigend, großherzige Literatur« schrieb ich damals. Überhaupt nicht warm wurde ich jedoch mit dem Roman »Das Biest«, in dem van der Heijden eine Frau porträtiert, die beraubt wurde. Sie rächt sich nun für ihr Unglück an den Menschen, die ihr am nächsten stehen. Die kinderlose Tante Tiny ist ein Drache, stänkert und pöbelt herum. Sie plärrt auf Feiern wie ein gekränktes Schulmädchen und hat Marotten. Warum ist sie zur Sadistin geworden? Was ist damals geschehen? Warum verschweigt die Familie den Vorfall? Warum hat sie keine Kinder? Die wirklich entscheidenden Antworten finden sich erst am Ende des Buches – sie erklären, warum Tiny verbittert wurde, und sind abzusehen. Zuvor dreht sich die Geschichte im Kreis, wiederholt sich und zieht sich wie Kaugummi. Wer was von der Heijden lesen möchte, sollte lieber zu »Tonio« greifen.
[Buchinformationen: van der Heijden, A. F. Th. (2016): Das Biest. Suhrkamp Verlag. Aus dem Niederländischen von Helga van Beuningen. 303 Seiten. ISBN: 978-3-518-42555-8]
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Nicht ganz so dumm 2016 einen Roman mit diesem Thema herauszubringen – denn genau vor 25 Jahren zerfiel die Sowjetunion. Boris Schumatsky (geboren in Moskau, in den 90ern nach Deutschland gezogen) siedelt seine Geschichte zu dieser Zeit – 1991 – an. Im Zentrum stehen Bekannte aus Deutschland und Russland: Sascha möchte schleunigst nach Germany. Seine Freundin, Freigeist Anna Iwanowna fühlt sich gerade in diesen Moskauer Revolutionswirren wohl. Bei der Hälfte und circa 150 Seiten bin ich ausgestiegen. Der faden Story fehlt der Drive – sie kommt nicht wirklich in Fahrt. Hier mal ein Witzchen, dort mal ein Sprung und eine Sowjet-Anekdote aus der Vergangenheit. Hat mich alles nicht gepackt und ging nicht vorwärts. Totaler Durchschnitt, weder Fisch noch Fleisch.
[Buchinformationen: Schumatsky, Boris (2016): Die Trotzigen. Blumenbar Verlag. 384 Seiten. ISBN: 978-3-351-05029-0]
Eine sehr schöne Mischung. Angeles Band sollte dann wohl auch für mich Pflichtlektürr sein. Auch mich treibt die Zukunft der Zeitung um. Ein hochaktuelles Thema, weil sich Zeitungshäuser wandeln, nicht immer allerdings zum Guten. Viele Grüße
In fand Angeles Büchlein ganz hübsch gemacht, aber überteuert und zu wenig ausführlich. Siehe dazu meine Besprechung: Der letzte Zeitungsleser / von Michael Angele – http://wp.me/p5k71v-wy