Daniel Kehlmann – F

Daniel Kehlmann – FJa, Daniel Kehlmann ist eine echte Größe der hiesigen Literatur, »Die Vermessung der Welt« und so weiter. Nun hat der Erfolgsautor einen Familienroman namens »F« herausgebracht, der es fast wie selbstverständlich auf die Longlist des Deutschen Buchpreises 2013 gepackt hat.

»F« wirft die Geschichte der drei Brüder Martin, Eric und Iwan auf. Neben der Verwandtschaft haben sie eine weitere Gemeinsamkeit. Sie alle sind Zweifler, Betrüger, Täuscher und Lügner. Mehr Schein als Sein. Nicht glücklich darüber, gleiten sie immer mehr in den Strudel voller Verwicklungen und Unwahrheiten – ihr Schicksal hat das Versagen für sie auserkoren.

Der an Fettleibigkeit leidende Martin wird Pfarrer. Dabei verstößt der Geistliche immer wieder aufs Neue gegen zwei der Zehn Gebote. »Du sollst keine anderen Götter neben mir haben.« »Du sollst den Namen Gottes nicht verunehren.« Nur Martins Oberfläche gibt einen Pfaffen ab. Schließlich glaubt dieser überhaupt nicht an Gott. Vielmehr ist er damit beschäftigt, seine Fähigkeiten am Zauberwürfel für die Rubik-Meisterschaften zu verbessern, an den nächsten Schokoriegel zu kommen und seine Gemeindemitglieder bei Fragen zu Gott mit Nullaussagen (»Das ist ein Mysterium«) abzuweisen.

Eric spielt den Kapitalisten und Finanzhai, sieht aber schon die schwedischen Gardinen vor sich. Spekulationen mit Fremdkapital gehen in die Hose und der Arsch geht ihm auf Grundeis. Er driftet immer weiter ab, das Fiasko kann nicht mehr aufgehalten werden. Betäubungs- und Schmerzmittel sollen helfen, machen ihn aber nur paranoid, abhängig. Seine Ehefrau betrügt er regelmäßig. Seine Wahrnehmung nimmt immer mehr ab. Sein Blick für die Realität trübt sich. Eric hat das Ende der Fahnenstange erreicht.

Der Zwillingsbruder Erics, Iwan, ist Künstler und Kritiker. Er malt Gemälde unter dem Namen seines ehemaligen Geliebten Eulenböck, der ebenfalls Künstler ist, dann aber verstirbt und diese bloß signiert. Iwan konzipiert und kritisiert Eulenböcks Werke – die er selbst entworfen hat – und verbessert Eulenböcks/sein Standing in der Szene. Eulenböck wird zum neuen Stern und niemand kommt dem Geheimnis auf die Spur, wer sich tatsächlich hinter den Bildern verbirgt.

Daniel Kehlmann bindet zahlreiche Themen wie die Hypnose ein, für die es keine rationale, wissenschaftliche Erklärung gibt, die Kehlmanns Figuren aber alle beeinflusst. Die Kunst, der es nichts ausmacht, wenn van Gogh bei seinem vermeintlichen Gemälde gar keinen Pinsel geschwungen hat, sondern jemand anders das für ihn erledigte. Die Fassade der Kirche, Zivilcourage, Finanzkrise, Süchte und Wahnbildungen. »Die Welt ist nicht so, wie sie aussieht«, heißt es in einer Stelle so schön. »Je genauer man hinsieht, desto leerer wird alles, desto irrealer sogar die Leere. Denn auch der Raum ist bloß eine Funktion, ein Modell unseres Geistes.«

»F« gleich Fatum, das dem Menschen bestimmte Schicksal. Kehlmann verzichtet meist auf große, metaphysische Philosophiestunden. Stattdessen soll der Rezipient selbst Erklärungen finden, Kehlmann stupst lediglich leicht an und das kann durchaus als Problem gesehen werden. »„F“ hat in diesem Sinn weder genügend Geheimnis, was seine Figuren betrifft, noch genügend theoretisches Potenzial. […] Das Ergebnis ist ein Schwindel erregendes Panoptikum der Möglichkeiten, dessen Alternativen er zugleich diskreditiert«, schreibt Gregor Dotzauer in seiner Rezension passend.

»F«, ein follkommenes, facettenreiches, fantastisches Fergnügen? Zumindest gerne gelesen habe ich es, wobei einzig die ganz großen Aha- und Wow-Effekte ausblieben. Sprachlich beherrscht Kehlmann sein Handwerk ohne Frage. Mit etwas mehr Auflösen statt Antasten hätte ich mich indes deutlich lieber angefreundet. Oder steht das »F« für Fragen (nach Sein oder Schicksal), auf die es überhaupt keine Antworten gibt?

[Buchinformationen: Kehlmann, Daniel (August 2013): Rowohlt Verlag. 384 Seiten. ISBN 978-3-498-03544-0]

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3 thoughts on “Daniel Kehlmann – F

  1. Mir ging’s ganz genauso: eine kurzweilige Lektüre, sprachlich einwandfrei, aber der große Wow-Effekt blieb leider aus. Sicher ein Buch, das nicht lange in meinem Gedächtnis bleiben wird, aber ich habe es dennoch gerne gelesen.

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