Ein paradiesischer Platz, Laguna Beach in Kalifornien, der (vermeintliche) Unbeschwertheit und Freiheit vermittelt: Palmen, Sonne, Meer, Sex, Drogen. Mittendrin die drei Freunde Pazifist Ben, Soldat Chon und Partygirl O (Ophelia). Wäre da nur nicht ihr Supergras, mit dem sie ein lukratives Geschäft aufgebaut haben, das Neider weckt. Ihnen will jemand an den Hals. Nur wer?
Jeder Held hat einen tragischen Schwachpunkt. Eine Eigenschaft, die ihn und alle anderen in seinem Umfeld zur Strecke bringen kann. Bei Ben ist das einfach. Wenn man Ben sagt, er soll etwas machen dann kann er nicht anders, er muss das genaue Gegenteil tun. Er ist – subversiv. (Adj.) umstürzend, umstürzlerisch. Ben, unverkennbar. Er bezahlt das sogenannte Honorar für den nächsten Monat. Oberflächlich betrachtet scheint er zu gehorchen, zeigt Einsicht, hat seine Lektion gelernt. Augenscheinlich ist das so. Def: (adj) 1. vor Augen liegend sichtbar; 2. eindeutig, sinnfällig; 3. dem Anschein nach (wobei die Wahrheit offen bleibt). Bingo. Ben hat nämlich einen Plan. (S. 102/103)
Die richtigen Ansprechpartner können nicht die korrupten Behörden sein, da das Trio unabhängig davon sowieso selbst kriminell unterwegs ist, braucht es schon einen ausgeklügelten Plan für die Kooperation: einen Polizisten, der um jeden Preis hoch hinaus will und ein Kartell aufdecken möchte. Denn keine kleinen Gangster wollen Ben, Chon und O in die Mangel nehmen, sondern patenähnliche Barone, große Fische, die bis hin nach Mexiko operieren.
Was Ben anscheinend nicht in seinen Quadratschädel kriegt, denkt Chon, ist, dass das Rechtssystem nicht dem Recht dient, sondern dem System. Die Drogengesetze machen uns zu Outlaws. Wir stehen nicht unter dem Schutz des Gesetzes. Selbstschutz ist der einzige Schutz, den wir haben, und der funktioniert nicht, wenn man auf Gandhi macht. Du kannst dich nicht einfach auf die Straße setzen, weil die von der Gegenseite dich mit Vergnügen überfahren, den Rückwärtsgang einlegen und dich noch ein zweites Mal plattbügeln. (S. 247)
Irgendwann kristallisiert sich heraus, dass die jungen Protagonisten, die stets ihre coole Contenance wahren, tief buddeln müssen, um herauszufinden, wer ihre Feinde denn sind, die überraschenderweise auch in ihrem Familien-Stammbuch auftauchen. Rückblick: Neben der Geschichte des Dreiverbunds geht der Autor in die 60er Jahre zurück, als sich Surfer und Hippies am Laguna Beach zusammenfanden, Drogenpartys feierten und anfingen sich ein illegales Netzwerk aufzubauen. Integriert sind auch die Eltern der Kings of cool – und deswegen kommt es auch in der Gegenwart zu Überlappungen zwischen Kindchen und Mama/Papa.
»Kings of Cool« ist das Prequel zu Don Winslows Roman »Zeit des Zorns« (2010), den Oliver Stone unter dem Titel »Savages« verfilmte und an dessen Drehbuch Winslow mitwirkte. Im Drogen-Thriller finden sich zahlreiche popkulturelle Verweise, politische Ansichten und der amerikanische Lifestyle wieder. Kurze, prägnante, knackige Sätze machen das Buch zu einem regelrechten Kracher, der immer mehr an Fahrt aufnimmt. Die Kapitel sind kurz, manchmal nur aus einem Wort bestehend, ziehen den Leser dabei immer weiter tief in das ereignisreiche Buch hinein. Songtexte, Wikipedia- und Wörterbucheinträge usw. baut Winslow mit ein, ungewöhnlich.
Dass bei dem Überholspur-Tempo und der Schnelllebigkeit am Ende nicht mehr ganz so viel hängen bleibt, stört nicht. »Here we are now, entertain us«, hat mal Kurt Cobain gesungen. Don Winslow tut es und hat feinste Unterhaltung präpariert, die ihren Zweck unbestreitbar erfüllt.
[Buchinformationen: Winslow, Don (September 2012): Kings of Cool. Suhrkamp Verlag. Aus dem amerikanischen Englisch von Conny Lösch. Titel der Originalausgabe: The Kings of Cool: A Prequel to Savages (2012). 351 Seiten. ISBN: 978-3-518-46400-7]
Wäre Winslow eine Droge, dann reinstes, schneeweißes Koks!