Moritz Stetter – Das Urteil nach Franz Kafka

So einige grafische Adaptionen lassen sich finden, die sich mit Kafkas Werken beschäftigen. Das ist wenig verwunderlich, einigen sich gerade Kafkas mystische, geheimnisvolle, man könnte fast meinen, undurchdringbare Welten für bebilderte Interpretationen. Moritz Stetter hat sich mit der Erzählung »Das Urteil« auseinandergesetzt und diese in eine Graphic Novel verarbeitet.

Moritz Stetter - Das Urteil nach Franz Kafka

Wem Kafkas »Urteil«, das er in einer Nacht Stunden niederschrieb, nichts sagt, dem soll nun eine kleine Einführung gegeben werden: Diese Erzählung handelt von einem Vater-Sohn-Konflikt. Georg Bendemann korrespondiert mit einem ominösen Freund, der nach St. Petersburg emigrierte und dessen Geschäfte dort mehr schlecht als recht laufen. Anders als bei Georg, der ein Unternehmen nach dem Tod der Mutter gemeinsam mit seinem Vater führt und kaufmännische Erfolge vorweisen kann. Einiges, wie eine anstehende Vermählung, verschweigt er dem Brieffreund. Der Vater wiederum steht (scheinbar) mit der Person aus Russland in Kontakt. Auf dem Höhepunkt der Geschichte spitzt sich die Lage bei einer Aussprache zu: Der Vater, ein Tyrann, richtet über seinen Sohn und verurteilt ihn zu Tode, worauf Georg »in geradezu unendlicher Verkehr« über eine Brücke springt.

Moritz Stetter gelingt es die nahezu surrealistischen Elemente einzufangen: Der fremdartige Bart des Freundes wird zu einem grünen Gestrüpp, wuchert und gleicht einem Dschungel. Das Motiv des Baumes und seiner Grüne zieht sich durch diese Arbeit, wird auf einer anderen Ebene Georg zum Verhängnis. Besonders eindrucksvoll erscheinen ebenso die Gesichter und ihre Veränderungen. Der Vater wird zuerst als harmloser, alter Greis gezeichnet, der allerdings einem brodelnden Vulkan gleicht, ausbricht und Dominanz mit seiner hässlichen Fratze, plötzlichen Stärke sowie Größe ausstrahlt. Auf der anderen Seite, der Schock von Georg, der nach und nach zu einem Statisten wird, beinahe versteinert durch die Vorwürfe und Kraft des Vaters wirkt. Manchmal erscheinen Stetters Panels minimalistisch, wenn er auf einzelne Körperteile zoomt. Dann wieder farbenfroh, wenn auch nicht in den entscheidenden Momenten, am Gipfel, wo das Schwarz-Weiße und Rote überwiegt.

Klar wie Kloßbrühe sind Kafkas Werke nie. Stetter gelingt es, die Irrungen, Wirrungen und Wandlungen der Figuren sowie der Handlung kunstvoll in unterschiedlichen Facetten einzufangen.

[Buchinformationen: Stetter, Moritz (2015): Das Urteil nach Franz Kafka. Knesebeck Verlag. 48 Seiten. ISBN 978-3-86873-524-6]

[Einblicke ins Buch samt Leseprobe gibt es hier.]

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