Ljudmila Ulitzkaja – Ein fröhliches Begräbnis

ljudmilaulitzkaja_einfroehlichesbegräbnis Verlassen versterben. Ein Horrorszenario für besonders ältere Menschen, deren Lebenselixier langsam und schleichend schwindet. Anders bei Künstler, Maler und Casanova Alik, dem nicht mehr zu helfen ist, der langsam und todsicher an den Folgen einer Lähmung entschlummert. Rings um ihn nackte Frauen mit großen Brüsten, Liebhaberinnen, Freunde, flüchtige Bekanntschaften, Obdachlose. Doch alle haben etwas mit ihm gemeinsam. Die Auswanderung; von Russland in die „city of dreams“, New York.

Auf dem ersten Blick scheint „Ein fröhliches Begräbnis“ (1998), das ungeheure Thema Tod aufgreifen zu wollen und den lockeren Umgang mit diesem. Eigentlich spielt das Sterben in diesem Roman aber nur die zweite Geige. Alles dreht sich zwar um das bevorstehende Ableben Aliks, doch im Vordergrund stehen oft andere (jüdische) Einwanderer, die Ljudmila Ulitzkaja in Anekdoten, critical incidents und Kurzgeschichten auffasst. Die jedoch auch gleichzeitig irgendwie alle soziale Verbindungen zu Alik haben.

Man nehme zum Beispiel Irina, eine ehemalige Zirkusakrobatin, die mit Alik bereits vor der USA-Zeit liiert war, ihm dort wieder begegnet und schwanger von ihm wird. Oder Berman, ein junger Mediziner, der seine Ausbildung in Rekordzeit abschloss und Alik behandelte:

Die erste Untersuchung nahm Berman vor. Unentgeltlich natürlich, sogar die Isotopen bezahlte er selbst. Der Computer fand nichts. „Ein echter Ami, das Ding“, spottete Berman, „der arbeitet nicht umsonst.“

Ulitzkaja skizziert mehrere Charaktere, ihre Lebensgeschichten, ihre Emigration, ihre Assimilation oder der Versuch zu dieser. Wie viele? Das wäre mühsam zu zählen. Alleine bis Seite 30 sind es Geliebte Valentina, Frau Nina, Nachbarin Joyka, Ex-Geliebte Irina plus Tochter Maika, Arzt Fima, Libin samt neuer Freundin Natascha und Wunderheilerin Marina Ignatewjna. Ganz schön happig, nicht wahr? Aliks Wohnung wird als Durchgangshof beschrieben und auch am Anfang des Buches gehen die Personen, rücksichtlos zum Rezipienten, ständig ein und aus. Bindungen zu allen Anwesenden lassen sich demnach nur schwer zu. Eine Fokussierung von einem überschaubaren Kreis wäre von Vorteil gewesen.

Entweder springt die Autorin in die Vergangenheit oder in die Gegenwart, an Aliks Bett, wo sich viele Präventivmaßnahmen ergeben und eine Taufe für sinnvoll beschlossen wird, obwohl dieser sich dagegen sträubt:

„Nina, ich habe absolut nichts gegen deinen Christus. Er gefällt mir sogar, obwohl mit seinem Humor was nicht stimmt. Es ist nur, verstehst du, ich bin selber ein kluger Jude. Aber Taufe, das ist irgendwie albern, das ist Theater. Und Theater kann ich nicht leiden. Ich steh auf Kino…“

Am Ende, unschwer zu erraten, macht Alik seinen letzten Atemzug, hinterlässt für seinen Leichenschmaus eine Tonspur und ruft zur Heiterkeit auf. „Ich bitte darum, dass sich alle ordentlich besaufen. Vor allem, sitzt nicht mit trauriger Visage rum. Tanzt lieber.“ Für den Leser bleibt jedoch nicht greifbar, aus welchem Grund Alik derartig beliebt war – vielleicht aufgrund seiner ungebremsten Lebensweise, vielleicht auch wegen was komplett anderem…

Nicht von der Hand zu weisen, es ist ein urkomisches und ulkiges, Ein fröhliches Begräbnis des (Schein-)Toten und seiner Situation. Ljudmila Ulitzkajas Beschreibungen der einzelnen Einwanderer haben den Hauch des Burlesken, wirken am Ende aber nur angeschnitten und schemenhaft.

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