Sänger und Sprecher, Ryo Takeda, ist mit Kurzgeschichten von Haruki Murakami quer durch die Republik gezogen und hat diese vorgetragen. Wie das so war und was diese bei ihm auslösen, davon erzählt der Halb-Japaner in diesem Interview. Außerdem geht es unter anderem um weitere Arbeiten als Sprecher, um Stimmbildung und bevorzugte Literatur.
Als wir zum letzten Mal im Jahr 2007 in Kontakt standen, hast du noch gemeinsam mit dem Produzenten Algorhythmiker als Rap-Duo Ryoma Musik gemacht. Danach bist du sogar für Thüringen beim Bundesvision Song Contest angetreten. Aber interessanter für mich ist, dass du deine überaus angenehme Stimme auch als Sprecher für Lesungen einsetzt. Wie ist es dazu gekommen?
Seit über 15 Jahren beschäftige ich mich jetzt mit meiner Stimme. Angefangen durch Rap, später auch Gesang. 2006 habe ich ein paar Semester Sprechkunst an der Musikhochschule in Stuttgart studiert. Im Hauptfach rezitiert man dort Lyrik und Prosa. In den Nebenfächern hat man Körperarbeit, Theaterpädagogik, auch Psychologie und Germanistik. Man lernt den eigenen Körper als Instrument kennen. Denn der gehört definitiv zur Stimmbildung dazu. Irgendwann entstand mehr aus einer Laune heraus die Idee, eine Lesung zu machen. So kam der Stein ins Rollen.
2014 hast du in über 25 Städten Kurzgeschichten von Haruki Murakami vorgetragen. Was waren das für Erfahrungen? Wie hast du dich auf diese Veranstaltungen vorbereitet?
Sicher nicht verwunderlich: ich bin begeisterter Murakami-Leser. Diese Murakami-Lesereise war meine Entscheidung. Ich habe beim DuMont-Verlag nach den Leserechten gefragt, bekam grünes Licht und habe dann vier Wochen lang telefoniert und Mails geschrieben. So kamen nach und nach die Termine zusammen. Wie eine Perlenkette.
Das war die eigentliche Vorbereitung, die Arbeit. Natürlich öffnet der Name manche Türen. Aber letztendlich waren es keine Lesungen des Autors selbst. Ich musste die Veranstalter oder Locations von der Idee überzeugen, dass ich die Kurzgeschichten präsentiere. Da erschien mir ein Anruf als beste Empfehlung. Die Lesungen an sich waren einfach ein großer Spaß.
Du bist Halb-Japaner, war es aufgrund deiner Wurzeln gerade deswegen etwas Besonderes, den japanischen Schriftsteller schlechthin vor einem größeren Publikum zu rezitieren?
Ich denke, als Halb-Japaner kann ich diesen Murakami-Ton ganz gut treffen. Die leichte Melancholie, die drunterliegt. Viele Romanfiguren, auch die in den Kurzgeschichten, sind um die 30 Jahre alt. Auch vom Alter passt das. Wenn Gerichte beschrieben werden, dann bekomme ich Lust auf japanisches Essen. Die Geschmäcker sind vertraut, manche Straße oder Stadt auch. Für mich sind Murakamis Geschichten auch ein bisschen die Pille gegen Fernweh.
Hast du durch diese Auftritte vielleicht einen noch spezielleren Zugang zu Murakamis Texten erfahren?
Die Lesung war auf 90 Minuten konzipiert. Nach ein paar Lesungen hat man die Kurven und Drehungen natürlich sehr verinnerlicht. Trotzdem wurde es nie langweilig. Das macht den Reiz aus. Die Kurzgeschichten sind wie gute Songs, die man auf Repeat hören kann.
Du selbst hast Kurzgeschichten geschrieben (wenn ich jetzt nichts verwechsle) und diese anschließend während Clueso gespielt hat, vorgetragen. Darf man in der Richtung mehr Literarisches von dir erwarten?
Clueso war so freundlich mich mit zu Bauhaus TV nach Dessau mitzunehmen. Da habe ich Auszüge aus seinem Buch »Von und über« zwischen den Songs gelesen. Das war sehr mutig von ihm. Ich weiß noch, wie skeptisch alle vom Aufnahme-Team waren. Aber wir wussten, dass es funktioniert. Wenn es eine gute Dramaturgie hat, dann ist das eine unschlagbare Kombination. Musik und Text. Egal ob Klassik mit Gedichten, oder eben guter Pop mit den tagebuchartigen Einträgen von Clueso. Der Aufnahmeleiter war hinterher natürlich begeistert.
Ich selbst schreibe keine Texte oder Geschichten. Das sollen die machen, die das ernsthaft betreiben. Ich konzentriere mich aufs Vorlesen.
Jüngst hast du für die Leipziger Zentralbücherei für Blinde das Hörbuch »Der Tod des Auguste Mature« aufgenommen. Kannst du dir vorstellen, weitere Hörbücher aufzunehmen und mehr in diese Richtung einzuschlagen?
Seit meinem Umzug nach Leipzig im letzten Spätsommer arbeite ich u.a. als Sprecher für die DZB. Das Thema Hörbuch reizt mich selbstverständlich sehr. Die Verlage suchen aber die bekannten Schauspieler-Gesichter aus, sodass sich ein Hörbuch eben auch verkauft. Aber ich bleibe da dran.
Was liest du in deiner Freizeit? Ist da viel Literatur aus Japan dabei? Gibt es vielleicht japanische Autoren, die hierzulande unbekannt sind und unbedingt übersetzt werden sollen?
Suter lese ich gern, der schafft es auch so eine bestimmte Stimmung aufzubauen. Mein Vater hat einen guten Riecher was Bücher betrifft. Sein neuster Tipp für mich war Amélie Nothomb, die als Diplomatentocher in Japan geboren wurde und dort viele Jahre verbracht hat. »Eine heitere Wehmut« ist ein interessanter Reisebericht aus Japan. Den heißen Tipp für hier noch unentdeckte japanische Autoren habe ich leider nicht.
→ Ryos Website: www.ryotakeda.de / Ryo auf Facebook: www.facebook.com/RyoTakeda.de
→ Ryo als Musiker auf YouTube: »Anders überlegt« / »Alles zu seiner Zeit« / »Erinnerung« (feat. Clueso) / »Planlos« (feat. Norman Sinn) / »Zeitlos« (als Ryoma)
→ Fotos im Interview stammen von: Dominik Gruszczyk (1 + 2), Japanisches Kulturinstitut (3).
ein ganz spannendes Interview mit vielen verschiedenen Facetten. Faszinierend fand ich seine Eigeninitiative, einfach in die Öffentlichkeit zu gehen und speziell Murakami vorzulesen. Seine besondere Ausbildung trägt sicherlich dazu bei, die Lesung zu gestalten. Viele Grüße
er sollte mal den Schlink lesen, könnte Ihm auch gefallen
Danke, danke, danke für diesen Beitrag! Erst letzte Woche habe ich erfahren, dass Ryo Takeda im Februar in unserem Kleinstädtchen lesen wird und blicke dem Tag vorfreudig entgegen. Dein Artikel kam also zum passenden Zeitpunkt und hält die Neugier aufrecht.
Wenn ich eins und eins richtig zusammenzählen kann, befinden sich unsere Wohnorte ganz in der Nähe 🙂 Mal sehen, vielleicht schaue ich bei dem Termin auch vorbei. Wenn nicht: bitte darüber berichten! 😉
Ich habe mal in deinem Impressum gestöbert und du hast recht: Mit rund 30-minütiger Autofahrt wärst du am Lesungsort. Vielleicht kannst du es zeitlich ja einrichten?!
Was für eine tolle Idee! Murakamis Texte vorzulesen …
Den Namen Ryo Takeda merke ich mir nun auch ganz genau – wäre schön, ihm mal bei einer solchen Lesung zu begegnen.
Mir geht es nicht nur mit Murakamis Erzählungen, sondern auch mit seinen Romanen so, wie Takeda es beschreibt. Sie sind „wie gute Songs, die man auf Repeat hören kann.“
Nicht ganz so starke, aber ähnliche Wirkung haben die Romane von Banana Yoshimoto, Yoko Ogawa und Hiromi Kawakami. Schöne Grüße 🙂
Dir als Murakami-Liebhaberin wird er definitiv gefallen, weil er überaus angenehm spricht/liest und man da lange zuhören kann. Ich kannte ihn durch seine Musik schon vor der Lese-Reise und auch da habe ich bereits seine Stimme bewundert. Vielleicht kreuzt der Herr ja mal tatsächlich bei dir in der Nähe auf, wodurch du dich davon überzeugen könntest. 😉
Schöne Grüße zurück!
Hat dies auf Schau dort. Prosa, Lyrik, Foto rebloggt und kommentierte:
Ich durfte Ryo im Dezember auf dem Zugmarkt in Erfurt kennenlernen. Ein überaus entspannter Typ, der seine Kunst kennt und liebt. Zwischen Rap und Literatur – irgendwo immer am Wort, am Text. Es ist spannend zu hören, wie sich die Stimme zum Einsatz in verschiedenen Sprechformen – und Situationen ändert. Aber es bleibt immer Ryo – alles wirkt entspannter ohne an Nachdruck zu verlieren. Ein entspannter Typ, der seine Sprache zu nutzen weiß.
Pingback: Die 100-Prozent-Lesung – Ryo Takeda in Lippstadt | Phantásienreisen
Mi gefällt auch die Melancholie in den Texten der Autorin.