Alfonso Zapico – James Joyce: Porträt eines Dubliners

Große Künstler haben einen an der Waffel! Ein Klischee, das natürlich nicht immer zutrifft, gerne angesichts der häufig zu bemerkenden Eigenarten der Kreativen verwendet wird. Aber James Joyce war so einer, ein Egozentriker, ein von sich selbst überzeugter Egoist, der wie ein Loch soff und ein Leben voller Laster führte – ein an Arroganz kaum zu überbietender Dreckskerl. Einerseits. Andererseits auch ein fürsorglicher Vater, jemand, der sich seinen Leistungen stets bewusst war und lange daran fast zerbrach, dass ihn niemand verlegen wollte. Der Spanier Alfonso Zapico hat sich Joyce an die Fersen geheftet und sein Leben in einer Graphic Novel festgehalten.

Alfonso Zapico - James Joyce Porträt eines DublinersWir können einen vergleichsweise stinklangweiligen, trockenen Wikipedia-Artikel aufrufen, der uns die Stationen des James Joyce skizziert, oder zu einem weiteren Schinken in Form einer Biographie greifen, um die unverwischbaren Spuren eines der wichtigsten Literaten des 20. Jahrhunderts zu entdecken. Eine willkommene Abwechslung bietet dagegen diese gelungene grafische Umsetzung.

Darin wird verdeutlicht, wie James Vater John, ein Nationalist, der gerne Kinder zeugt, säuft und Schuldenberge ansammelt, die Familie in den Ruin treibt und den kleinen James auf ein katholisches Internat schickt, mit dem er so gar nichts anfangen kann. Später im Studium eifert Joyce seinem Papa, was den Alkoholkonsum angeht, eifrig nach und distanziert sich von der Kirche. James beginnt damit, Gedichte zu schreiben und sieht sich selbst früh als Genie an. Er treibt sich angeheitert bis granatenvoll in den Straßen Dublins rum, lebt ständig auf Pump, besucht Freudenhäuser bis er Nora, der künftigen Gattin begegnet. Seine Einstellung bleibt jedoch: »Mein Geist lehnt die gesellschaftliche Ordnung ab! Ich lehne die Kirche ab, und die etablierten Werte.«

Anschließend führen beide auch aufgrund des Ersten Weltkrieges ein nomadenhaftes Leben in London, Paris, Triest, Pula, Zürich oder Rom. Joyce studiert die bedeutenden Werke der Weltliteratur, schreibt und verreißt dabei am liebsten die irischen Schriftstellerkollegen. Ihm selbst gelingt der Durchbruch anfangs jedoch kaum, da niemand seinen pietätlosen »Dubliner« verlegen möchte. Finanziell bewegt er sich immer noch nicht auf eigenen Beinen und leiht sich wie ein Schmarotzer auffällig oft Geld. Alfonso Zapico - James Joyce Porträt eines Dubliners SzenenZudem tauchen immer mehr Selbstzweifel auf, die er mit dem Alkohol zu beseitigen versucht. Mit Harriet Weaver und Ezra Pound findet er schließlich Unterstützer und einen anonymen Gönner, Mrs. Rockefeller-McCormick. Joyce kann dadurch den Massen erste Werke präsentieren, auch von ihm produzierte Theateraufführungen werden positiv aufgenommen. Nach der Veröffentlichung schlägt »Ulysses« vollkommen ein und aus Joyce, der an ständigen Augenproblemen leidet, wird ein Star.

Alfonso Zapico thematisiert in seinen schwarz-weiß Panels kaum Joyces literarisches Schaffen, sondern widmet sich seinem feucht-fröhlichen Lifestyle zwischen Abstürzen und dem Wunsch, endlich erfolgreich zu sein. Zwischen am Hungertuch nagen und die Sau raus lassen. Immer wieder kommt es dabei zu Kuriositäten: Bei einer Heimfahrt reihert er zum Beispiel fast Marcel Prousts Taxi voll. Der politische Joyce, der Irland den Rücken kehrte, hatte sich stets für die Politik seiner Heimat interessiert und bewegte sich insgesamt stets zwischen den Extremen – das fällt in dieser Arbeit besonders auf.

Der Lebensweg von James Joyce war ein ständiges Auf und Ab, dermaßen chaotisch und ungewöhnlich, dass dieser Stoff sich selbst bestens für einen Roman eignet. Alfonso Zapico hat diesen Werdegang wunderbar ansehnlich verpackt und en détail erzählt.

[Buchinformationen: Zapico, Alfonso (Mai 2014): James Joyce. Porträt eines Dubliners. Egmont Graphic Novel. Aus dem Spanischen von Sybille Schellheimer. 232 Seiten. ISBN: 978-3-7704-5506-5]

[Anmerkung: Weitere Rezensionen sind bei Buchwolf, Literaturen und Texte und Bilder zu finden.]

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8 thoughts on “Alfonso Zapico – James Joyce: Porträt eines Dubliners

  1. Als Einstieg in den „Kosmos Joyce“ in der Tat sehr gut geeignet. Der Kenner erfreut sich an der graphischen Umsetzung, erfährt aber wenig (bis gar nichts) neues. Dennoch ein Stück, das in einer gut sortierten Joyce-Bibliothek nicht fehlen sollte. Danke, dass Du es nochmal gewürdigt hast. lg_jochen

  2. Eine echt witzige Idee das Leben von Joyce in einem (leichtfüßigen) Comic festzuhalten. Denn wenn man die Werke von ihm kennt, weiß man das er echt schwere Kost geschrieben hat 😉

    • Liebe artlover55, ein kleiner, schmunzelnder Widerspruch sei gestattet.
      Joyce hat immer behauptet, sein „Ulysses“ sei in erster Linie ein urkomisches Buch, voller Witze und Kalauer … (und wenn man genau hinschaut, stimmt das sogar).
      Sein Leben war sowieso ein einziges Abenteuer und einer Graphic Novel wirklich würdig.
      lg_jochen

      • Na ja muss zugeben, dass ich den Roman sehr schwer zu lesen und auch zu verstehen fand. Habe es ein Mal auf deutsch und ein Mal auf englisch versucht 😉

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